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Erhalt/Weiterentwicklung der Altenpflege

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 Weitere Stimmen zum neuen Qualitätssystem
14.10.2019   Das neue System der Qualitätsprüfungen in der stationären Altenpflege wurde überwiegend positiv begrüßt, aber auch mit kritischen Anmerkungen versehen. Hier eine kleine Auswahl der Stimmen (Auszüge):

▶︎ MONIKA KÜCKING, Leiterin der Abteilung Gesundheit beim GKV Spitzenverband, bei der Vorstellung des neuen Qualitätssystems: "Die Verbraucherinnen und Verbraucher bekommen künftig eine Fülle von Informationen über die Versorgungsqualität und die Ausstattung der Einrichtungen."

▶︎ PIA ZIMMERMANN, Sprecherin für Pflegepolitik der Bundestagsfraktion Die Linke, findet es zwar sinnvoller, nun die Ergebnisqualität zu überprüfen statt wie bisher die Pflegedokumentation. Ihrer Meinung nach ist das neue System aber kein Prüf-, sondern ein Bewertungssystem, das guter Pflege ein Preisschild verpasse: "Menschen mit Pflegebedarf brauchen keine Marktübersicht, sondern verbindliche Standards. Deshalb gehöre die Grundversorgung nicht in die Hände des Marktes, sondern müsse vom Gesetzgeber garantiert werden. Die Regierungsparteien seien dafür verantwortlich, Bedingungen herzustellen, unter denen Pflegekräfte gute Arbeit leisten könnten.

▶︎ KORDULA SCHULZ-ASCHE, pflegepolitische Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen, fragte nach den pflegenden Angehörigen. Sie seien es, die vor dem beim Umzug in eine stationäre Einrichtung die zentrale Rolle bei der Versorgung in der eigenen Wohnung spielten und die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen gut kennten. Nach Ansicht der Politikerin werden die Angehörigen allerdings nur unzureichend in die neuen Qualitätsprüfungen einbezogen.

▶︎ STAATSSEKRETÄR ANDREAS WESTERFELLHAUS, Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung: „Ab jetzt wird der alte Pflege-TÜV mit seiner irreführenden Durchschnittsnote von 1,2 schrittweise abgeschaltet. Das ist ein guter Tag für all diejenigen, die sich fundiert und objektiv über Pflegeeinrichtungen informieren wollen.“

▶︎ EUGEN BRYSCH, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz: "Ohne Zweifel brauchte es einen neuen Pflege-TÜV, der die Realität in den Heimen abbildet. Aber die Abschaffung der Noten und die neue Darstellung nach Kreisen, Punkten und Quadraten bringt keine schnelle Übersicht. Für eine rasche Vergleichbarkeit bei der Pflegeheimsuche sind eine aussagefähige Gesamtnote und K.O.-Kriterien aber dringend notwendig. Wenn Heime bei der Schmerztherapie, der Wundversorgung, dem Umgang mit Fixierung oder der Medikamentengabe durchfallen, muss dies für den Nutzer sofort erkennbar sein. Das gilt ebenso bei besonderen Hilfen für Demenzkranke und Sterbende. Die Menschen brauchen einen Pflege-TÜV, der leicht verständlich ist, die Praxis abbildet und eine schnelle Vergleichbarkeit ermöglicht."

▶︎ PROF. DR. STEFAN SELL ist Direktor des Instituts für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung (ISAM) der Hochschule Koblenz. Er betreibt im Internet den sozialpolitischen Blog “Aktuelle Sozialpolitik. Informationen, Analysen und Kommentare aus den Tiefen und Untiefen der Sozialpolitik” (aktuelle-sozialpolitik.de).
Dort äußert sich Sell auch zum neuen Qualitätssystem. Unter der Überschrift "Die Entsorgung der Pflegenoten und ein neuer Pflege-TÜV, der keiner sein kann. Anmerkungen zu den neuen Qualitätsprüfungen in der stationären Altenpflege" schreibt er am Ende seiner Ausführungen: "Abschließend eine grundsätzliche Anmerkung (...) zur verwendeten Begrifflichkeit „Pflege-TÜV“. Der TÜV prüft die Sicherheitsrelevanz des Zustands TECHNISCHER Einrichtungen. (...) Wenn ein technisches Defizit erkannt wird, dann führt das zu einer definierten Konsequenz, die auch bedeuten kann, dass das Fahrzeug aus dem Verkehr gezogen wird, um uns alle zu schützen. Und genau diesen Ansatz haben viele Menschen – ob bewusst oder unbewusst – im Kopf, wenn sie von einem „Pflege-TÜV“ lesen oder hören. Sie haben also die Vorstellung, dass man die Qualität eines Pflegeheims wie den Zustand eines Autos prüfen und bei vorliegenden Mängel eine konsequente Entscheidung treffen kann.
Letztendlich aber wird hier eine Sicherheitsillusion verkauft, die aus methodischen Gründen im Pflegebereich nicht realisierbar und die auch gar nicht im Ansatz der Qualitätsprüfungen enthalten ist. Das hängt nicht nur, aber eben auch zusammen mit den Besonderheiten der Pflege von Menschen. Nicht umsonst tut man sich ja so schwer, die „Qualität“ von Pflege abzubilden, handelt es sich doch um vielschichtige Prozesse, die 24 Stunden am Tag, an 7 Tagen in der Woche, an 365 Tagen im Jahr ablaufen und die immer in ihrer Gesamtheit betrachtet werden müssen. Zugespitzt formuliert: Wenn überhaupt, dann kann eine Qualitätssicherung nur vor Ort in einem dauerhaften Prozess erfolgen. (...) Im Kern muss man auf die Professionalität derjenigen setzen, die mit der Sorge-Arbeit in den Einrichtungen betraut sind, auf ihre fachlichen und ethischen Standards guten Arbeitens, auf die Selbst-Bindung im täglichen Pflegeprozess. Natürlich verweist das sogleich auf die offene Wunde der tatsächlichen Rahmenbedingungen des Arbeitens in der stationären Pflege, die derzeit in vielen Einrichtungen alles andere als qualitätsförderlich sind."
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